Führungsarbeit kann den Erfolg eines Unternehmens massgeblich beeinflussen. Ob sich Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen und gewillt sind, ihr Bestes zu geben, hängt zu grossen Teilen vom Verhältnis zum Vorgesetzten ab. Im Interview nennt Trainer und Coach Ilario Deana wichtige Eigenschaften von Führungspersonen und gibt Einblick in das Einmaleins der gelungenen Mitarbeiterführung.
Herr Deana, ist Ihrer Meinung nach grundsätzlich jeder Arbeitnehmer in der Lage, ein guter Vorgesetzter zu sein?
Zunächst einmal müssen wir schauen, wie Arbeitnehmer zu Vorgesetzten werden. In unserem System funktioniert das zumeist so, dass der Mitarbeiter, der die beste Performance abliefert, zum Chef einer Abteilung befördert wird. Was auf den ersten Blick gerecht wirkt, entpuppt sich in Wahrheit oft als Fehler: Vielen „Neu-Chefs“ fällt es schwer, Aufgaben zu delegieren oder abzugeben. Stattdessen bürden sie sich selbst immer mehr To-Dos auf und vernachlässigen zentrale Führungsaufgaben wie beispielsweise die transparente Kommunikation. Individuelle Fehler und entsprechende Unruhe in den Teams sind logische Konsequenzen. Mitarbeiter fühlen sich frustriert und demotiviert, da ihnen das entgegengebrachte Vertrauen der Führungsperson fehlt. Aus diesen Gründen muss ich sagen: Nein, nicht jeder Arbeitnehmer kann ein guter Chef sein! Die Qualitäten einer Führungsperson sind eben andere als die eines guten Mitarbeiters. Darum ist es wichtig, zunächst die gegebenen Führungsqualitäten und Kompetenzen eines potentiellen Chefs zu ermitteln, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
Kann man lernen, ein guter Chef zu werden, wenn man ein gewisses Potential mitbringt?
Ja, wenn bereits gewisse Grundvoraussetzungen vorhanden sind, kann man durchaus lernen, ein guter Chef zu werden. Wichtig ist, dass die fehlenden Fähigkeiten identifiziert und die entsprechenden Massnahmen eingeleitet werden. Chef zu sein, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, für die oft zu wenig Zeit eingeplant wird. Um gut zu werden, braucht es regelmässiges Training, so wie beim Sport. Oder kennen Sie einen Spitzensportler, der nicht trainiert?
An welchen Charakterzügen oder Verhaltensweisen erkennt man eine gute Führungspersönlichkeit?
Das kann man leider nicht pauschal sagen. Um eine geeignete Führungspersönlichkeit zu finden, muss zunächst die aktuelle Situation des Unternehmens analysiert werden: In welchem Lebenszyklus befindet sich die Firma? Handelt es sich um ein Startup-Unternehmen oder einen etablierten Betrieb? Stehen in absehbarer Zeit Umstrukturierung an? Auch hier bietet sich ein Vergleich mit dem Sport an: Möchte eine Fussballmannschaft in die nächste Liga aufsteigen, werden neue Spieler benötigt, um den Anforderungen gerecht zu werden. Der Trainer muss die Mannschaft entsprechend auf die Herausforderung einstellen und ein schlagkräftiges Team formen. Auch in Unternehmen muss der Chef die Mitarbeiter auf die bevorstehenden Hürden einstellen – und die sehen bei Startups ganz anders aus als bei gestandenen Firmen. Der erste Schritt ist also immer eine Analyse der Ist-Situation, danach folgt die individuelle Zielsetzung und erst dann die Wahl geeigneter Führungspersonen.
Gibt es Grundvoraussetzungen, die Führungspersönlichkeiten erfüllen sollten?
Eine gute Führungspersönlichkeit hat die Gabe, Menschen dazu zu bringen, aus der eigenen Motivation heraus im Interesse des Unternehmens zu handeln. Ein erfolgreicher Chef schafft es, die eigene Idee zur Idee des Mitarbeiters zu machen und dadurch die intrinsische Motivation und den Spass an der Arbeit zu wecken und dauerhaft aufrecht zu erhalten. Motivation gelingt auch dadurch, nicht zur Demotivation beizutragen. Das klingt simpel, ist aber eine grosse Aufgabe.
Mit welchen Herausforderungen werden Führungskräfte tagtäglich konfrontiert?
Die grösste Gefahr ist, dass die Mitarbeiter dem Chef entgleiten. Dann entsteht die eben genannte Demotivation. In meinen Trainings verfolge ich das Ziel, Mitarbeiter und Vorgesetzte wieder näher zusammenzubringen. Entscheidungswege müssen verkürzt und Chefs wieder mehr am Puls der Mitarbeiter sein, beispielsweise indem sie persönliche Mitarbeitergespräche führen und auf allgemeingültige Vorträge verzichten. Offene und ehrliche Gespräche wirken sich äusserst positiv auf die Motivation, Arbeitsmoral und das Vertrauen zum Vorgesetzten aus. Mitarbeiter trauen sich, Ideen zu äussern, da sie das Gefühl haben, dass die Ideen auf offene Ohren stossen bzw. umgesetzt werden.
Lassen Sie uns noch das Thema Teamwork aufgreifen. Wie kann eine Führungsperson zur Bildung eines Teams beitragen?
Da spielen natürlich die typologische Zusammensetzung des Teams, also die Anzahl an blauen, roten, grünen und gelben Typen, und die Aufgaben des Teams eine grosse Rolle. Eine gute Führungspersönlichkeit analysiert die Gegebenheiten und Anforderungen und stellt dann ein optimales Team zusammen. Ist im Team Kreativität gefragt, muss der Anteil gelber Persönlichkeiten erhöht werden. Technisch aufgestellte Teams, sollten einen grossen Anteil blauer Mitarbeiter haben. Ein gutes Team ergibt sich nicht zufällig, sondern wird vom Chef durch die Vergabe von Aufgaben und Verantwortung sowie der Bündelung von Kompetenz, dem Level der Mitbestimmung und dem vermittelten Wertesystem geformt.
Welche „Führungsinstrumente“ sind Ihrer Erfahrung nach sinnvoll?
Der Werkzeugkasten einer erfolgreichen Führungsperson setzt sich im Wesentlichen aus sechs Elementen zusammen.
Mit diesen sechs Tools kann man fast alle Führungsgespräche erfolgreich angehen. Entscheidend sind die richtige Kombination und Dosierung. Weitere wichtige Aufgaben von Führungskräften sind Zielvereinbarungen, gemeinsame Karriereplanung, Erwartungsmanagement, Aufgabenzuordnung (Rollenverteilung), Arbeitsgestaltung, Konfliktmanagement und vieles mehr. Eines ist Führen sicherlich nicht: langweilig.